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LinuxTag: Grundsatzrede gegen Antifeatures

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Unter Antifeatures versteht Benjamin Mako Hill die Eigenart einiger Hard- und Softwarehersteller Funktionen einzuschränken. Er behauptet, freie Software könnte eine Lösung sein.

Vor einem knappen Monat berichtete Ikhaya über den diesjährigen LinuxTag in Berlin, schon ist er vorbei. Obwohl die Schwerpunkte anders angesetzt waren, wie neben unserem Artikel auch das Programm verrät, gab es doch auch die ein oder andere Grundsatzrede.

Antifeatures in vielen Bereichen

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Benjamin Mako Hill
Lizenz: CC-BY-SA-3.0 (Mika Matsuzaki)

Der Ubuntu-Entwickler und MIT-Forscher Benjamin Mako Hill hielt einen (englischsprachigen) Vortrag über Antifeatures. Er stellt zunächst die These auf, dass einige Hard- und Softwarehersteller die Funktionalität ihrer Produkte absichtlich einschränken – was natürlich nicht im Sinne der Nutzer sein könne. Als Beleg führt er dann mehrere Beispiele an:

Mobiltelefonanbieter nutzen spezielle Chips, die dafür sorgen, dass Nutzer nicht die Möglichkeit haben Akkus von Drittherstellern einzusetzen. Der Vorteil für die Unternehmen liegt auf der Hand, denn so können sie die Kunden „zwingen“, ihre Akkus zu kaufen. Die Nutzer dürften von dem zusätzlichen „Feature“ wenig begeistert sein.

Ein weiteres Beispiel liefert Windows NT 4.0, von dem es zwei Varianten gab: eine (teure) Server- und eine (günstige) Workstation-Version. Der Unterschied liegt lediglich in der Begrenzung der Zahl der gleichzeitig möglichen TCP-Verbindungen. Prinzipiell konnte jede Workstation-Version deutlich mehr TCP-Verbindungen nutzen (und es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, wie man das erreichen kann), aber Microsoft möchte einerseits vielen Kunden ermöglichen ein (relativ) günstiges Produkt zu erwerben und andererseits bei größeren Firmen mehr Geld kassieren – und das für die gleiche Software. Auch wenn das Beispiel alt klingen mag, in neueren Windows-Versionen hat sich nicht viel geändert. In der günstigsten Version von Windows 7 beispielsweise fehlt der Großteil der Aero-Funktionen.

Ein ähnliches Beispiel solcher „Marktseparierung“ findet sich bei Digitalkameras. Diese nehmen ein Bild zunächst generell im RAW-Format auf und speichern es auf der Kamera nur als JPEG ab. Letzteres Format ist zwar deutlich kleiner, enthält aber (als logische Konsequenz) weniger Informationen. Prinzipiell haben beide Formate Vor- und Nachteile, in der Wikipedia gibt es eine Gegenüberstellung der Formate. Kameras im (Halb-)Profisegment können wahlweise als RAW oder JPEG speichern, letzteres Format lässt sich dabei nachträglich immer aus einem RAW-Bild erstellen. Günstigere Kameras hingegen wandeln das Bild intern automatisch als JPEG um, was an sich mehr Aufwand ist als einfach das RAW-Bild zu speichern. So ist das Nichtspeichern im RAW-Format ein Antifeature, das den Markt teilt und – so die Hoffnung der Unternehmen – für höhere Profite sorgt.

Als letztes Beispiel sei DRM genannt. Obwohl Computer enorm gut im Vervielfältigen von Dateien sind, werden immer wieder Versuche unternommen, eine Kopie zu verbieten im Glauben, dadurch mehr Käufer zu gewinnen. Kunden, die durch DRM „geschützte“ Musik bei ihren Freunden abspielen wollen, können dies oft nicht. Hier haben einige Unternehmen (vor allem im Musikbereich) erkannt, dass die Unzufriedenheit der Kunden mehr auf den Profit drückt als die Vorteile dieses Antifeatures auf der anderen Seite erwirtschaften können und setzten daher auf DRM-freie Musik. Bei Filmen und Serien hingegen scheint es noch ein weiter Weg zu sein, bevor eine ähnliche Einsicht eintritt.

Freie Software statt Open Source als Lösung

Zudem grenzt Hill die Freie-Software-Bewegung stark von der Open-Source-Bewegung ab, obwohl die beiden Begriffe nicht selten synonym verwendet werden. (Die Thematisierung der Geschichte und des Konfliktpotentials dieser beider Begriffe würde weit über diesen Artikel hinausführen, sodass hier zwei Verweise auf die Wikipedia genügen sollen.) So bedeute Open Source nur die Freigabe des Quellcodes in der Hoffnung durch Dritte bessere Software zu erzielen. Dies sei (nach Hill) aber oft nicht der Fall, ein Großteil der Projekte bestünde nur – maximal – aus ein paar Entwicklern, viele Open-Source-Programme würden gar nur von einem Entwickler gestemmt.

Vielmehr seien Freiheiten des Nutzers entscheidend und wichtig. Hill setzt sich also für Freie Software ein. Zwar seien auch hier Antifeatures möglich, wie nicht entfernbare vorinstallierte Apps auf Android-Telefonen zeigen, wobei das Problem natürlich nicht bei Android sondern bei den Herstellern, die den Root-Zugang verbieten, liege. Langfristig, so ist Hills Überzeugung, könnten sich Antifeatures in Freier Software nicht durchsetzen, denn es würden sich immer Leute finden, die derartige Funktionen entfernen und ein modifiziertes (Software-)Paket zu Verfügung stellten.

Lösungen liegen daher auf der Hand: freie Telefone, freie Betriebsysteme, Kamera-Tools wie CHDK 🇬🇧 und Plattformen wie Jamendo sind frei von solchen Antifeatures.