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Android - ein freies Linux-System für Mobilgeräte?

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Der Mobilgeräte-Markt ist einer der am stärksten wachsenden IT-Märkte: Im ersten Quartal 2012 wurden etwa so viele PCs/Notebooks wie Smartphones/Tablets mit Android verkauft. Android wird in weiten Kreisen für Offenheit, Freiheit und die Änderungsmöglichkeiten gelobt. Auch die Bekanntheit von Linux ist durch Android gestiegen. Doch wie sieht es mit der Freiheit von Android tatsächlich aus? Und ist Android überhaupt würdig ein Linux-System genannt zu werden?

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Dieser Artikel ist der zweite Platz des Ikhaya-Artikelwettbewerbs „Lesen ist silber, schreiben ist Gold“. Die Auszeichnung wurde an la-r-ma überreicht.

Um diese Fragen zu klären, muss man sich zunächst einmal fragen: Was ist Android? Jeder Hersteller und jedes Smartphone wird mit einer angepassten Android-Version ausgestattet. Die Unterschiede reichen von Treibern bis hin zu vollständig verschiedenen Oberflächen. Einige Android-Systeme (wie zum Beispiel das auf den Amazon Kindle Fire) dürfen gar nicht Android genannt werden, da Google Inhaber der Marke ist. Doch sind diese dennoch Android-Systeme? Wer es sich einfach macht, nimmt das als Android, was frei zugänglich ist und als Basis für alle anderen Android-Systeme dient: das „Android Open Source Project“ (AOSP).

AOSP wird in unregelmäßigen Abständen von der Open Handset Alliance (OHA) - einer Vereinigung von Google und verschiedener Hardwarehersteller - veröffentlicht. Der Sourcecode steht unter Apache License 2.0 und ist somit frei. Dazu stellt die OHA einen leicht angepassten Linux-Kernel bereit. Dieser ist theoretisch lauffähig, ihm fehlen aber die für Smartphones benötigten Treiber (etwa GPU und Touchscreen). Dennoch lässt sich damit ein vollwertiges Android-System erzeugen, das in QEMU startet (dies ist auch eine der Testmöglichkeiten für Android-Entwickler).

Einige Smartphones - etwa die Google-Nexus-Reihe - werden mit einer fast unveränderten Form von AOSP vertrieben. Doch eigentlich alle Systeme werden mit einigen teilweise tiefgreifenden, proprietären Veränderungen ausgestattet, den Google Apps. Google Account-Verwaltung, Maps API, Play Store, ... sind quasi Grundvoraussetzung, um als Android-System zu gelten - zumindest wenn es nach Google geht. Mitglieder der OHA dürfen auf ihren Android-Geräten die Google Apps mitzuliefern. Diese stellen neben einigen durchaus praktischen Funktionen allerdings auch Google-typische „Nach-Hause-Telefonier“-Funktionen bereit. So baut ein mit Google Apps erweitertes Android-Smartphone bei jeder Verbindungsänderung (etwa aktivieren des WLANs) eine Verbindung mit Google's Server auf - auch wenn keinerlei Synchronisationsoptionen aktiviert sind.

Das CyanogenMod-Projekt stellt jedoch für viele Geräte eine angepasste AOSP-Version ohne Google Apps bereit. Wer also die Google-Anwendungen nicht nutzt, kann sich so ein wenig Privatsphäre zurückerobern. Einige Funktionen der Google Apps können auf CyanogenMod durch Community-Projekte wie F-Droid und NOGAPPS nachgerüstet werden.

Doch die Free Software Foundation Europe (FSFE) geht weiter. Sie sind der Meinung das selbst CyanogenMod noch nicht frei genug ist: Es enthält unfreie Treiber (was häufig daran liegt, dass es keine Freien gibt). Die FSFE empfiehlt deshalb das Replicant-Projekt. Dieses ist nur für einige wenige Geräte verfügbar, verspricht aber, ein vollständig freies System zu sein. Bei aller Liebe um freie Software muss jedoch irgendwo eine Grenze gezogen werden: Replicant OS basiert immer noch auf Android 2.3, dass vor fast 2 Jahren erschienen ist und für das dutzende Sicherheitslücken bekannt sind. Einige davon wurden zwar in Replicant behoben, andere (auch Local-Root-Exploits) sind jedoch weiterhin verfügbar. Hier sollte man zugunsten von Datenschutz wieder ein Stück auf „Freiheit“ verzichten.

Die selbst ernannten Freiheitsexperten der GNU Foundation zögern auch nicht, darauf hinzuweisen, dass Android, da es nicht unter GNU General Public License(GPL) veröffentlicht wurde, weniger frei ist. Sie begründen dies mit der Version 3 von Android, die lange von Google zurückgehalten wurde. Dies ist in zweierlei Sicht so nicht korrekt. Zunächst sei gesagt, dass nicht Google Android Honeycomb zurückgehalten hat, sondern die OHA. Das mag ein wenig kleinlich klingen, ist aber in Bezug auf den zweiten Punkt wichtig: Auch die GPL hätte die OHA nicht zu einer Veröffentlichung gezwungen, da sämtlicher Code von Android von einem Unternehmen der OHA geschrieben wurde und somit das Urheberrecht bei diesen Unternehmen liegt. Eine Umlizenzierung ist somit jederzeit möglich - und somit auch das Zurückhalten von Quellcode. Die GNU Foundation kommt zu dem Schluss, dass Android die Freiheit der Nutzer nicht ausreichend respektiert. Das Urteil der GNU Foundation ist natürlich nicht für uns alle bindend: Jedem bleibt selbst überlassen ob ein System, das abgesehen von seinen Treibern komplett Open-Source ist, die eigene Freiheit einschränkt - sonst würden wir ja auch kein Ubuntu nutzen, das nach Ansicht der GNU Foundation auch kein freies System ist.

Die GNU-Foundation geht bei Android sogar noch weiter: Sie zweifeln sogar an, dass Android ein Linux-System ist, da es das GNU-System nicht enthält. Android benutzt stattdessen POSIX-kompatible Bibliotheken und Tools, die auf FreeBSD basieren. Und da GNU natürlich Teil jedes GNU/Linux-Systems ist, ist ein System ohne GNU auch kein Linux-System.

Abschließend sei hier noch einmal auf die FreeYourAndroid-Initiative der FSFE hingewiesen. Hier sind einige sinnvolle Tipps und Links zusammengefasst, um ein weitgehend freies Android zu erhalten. Aber ein freies Linux-System kann Android wohl nicht werden - zumindest nicht nach der Vorstellung der GNU-Foundation.


Vielen Dank an la-r-ma für den eingereichten Artikel.