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Weitere Diskussionen um versetzte Fenstersteuerelemente

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Als Folge der umstrittenen Änderung der Fenstersteuerelemente ergab sich eine überlagernde Diskussion um die Entscheidungsstrukturen im Ubuntuprojekt. Im folgenden Artikel wird versucht den aktuellen Stand der Diskussion anhand dreier Parteien wiederzugeben:

Der Bugreport 532633 warf eine große Diskussion rund um die geforderte Wiederherstellung der alten Fenstersteueranordnung für „Lucid Lynx“ auf. Nun geht es dort nicht mehr nur um den Bugreport an sich, sondern auch um eine überlagernde Diskussion über die Entscheidungsstrukturen im Ubuntuprojekt.

Mark Shuttleworth / Canonical

Nachdem in der Gemeinschaft Stimmen laut wurden, die sich für eine stärkere Einbindung der Community rund um Ubuntu in solche Designentscheidungen aussprachen und in Teilen auch direkte Kritik an der Umsetzung des Ubuntugedankens äußerten, stellt Mark Shuttleworth, nach seiner ersten Antwort 🇬🇧 , ein weiteres Mal 🇬🇧 seine Ansicht zur Verantwortlichkeit und Kontrolle des Ubuntuprojekts dar.

Dabei führt er aus, dass Ubuntu zwar durchaus durch die gesamte Gemeinschaft getragen und fortentwickelt wird, aber dennoch Zuständigkeiten an spezialisierte Entscheidungsträger abgegeben werden müssten:

We all make Ubuntu, but we do not all make all of it. In other words, we delegate well. […] We have processes to help make sure we're doing a good job of delegation, but being an open community is not the same as saying everybody has a say in everything.

Quelle: Bugkommentar 167 🇬🇧

Diese meritokratische Organisation stelle sicher, dass Entscheidungen auch durch entsprechend befähigte Personen getroffen werden und belohne weiterhin eine entsprechende Befähigung zu erreichen, da so gegebenenfalls auch umstrittenere Entwicklungen leichter umsetzbar werden:

[…] because you should have that competence recognised and rewarded with the freedom to make hard decisions and not get second-guessed all the time.

Quelle: Bugkommentar 167 🇬🇧

Dabei stellt er nochmals klar heraus, dass die Projektführung nicht basisdemokratisch organisiert ist und Verbesserungsvorschläge zwar willkommen sind, die getroffenen Entscheidungen aber nicht zur Diskussion stehen:

No. This is not a democracy. Good feedback, good data, are welcome. But we are not voting on design decisions.

Weiterhin weist er darauf hin, dass die Idee der Designumstellung vom entsprechenden Team getroffen wurde und nichts mit seinem persönlichen Geschmack zu tun habe. Die Umsetzung sei im Bewusstsein getroffen worden, dass es viel Widerstand geben würde, es jedoch letztendlich der Verbesserung der Benutzbarkeit diene und die Gegenstimmen als Argument hauptsächlich Gewohnheitseffekte vorbrächten.

Some members of the design team asked that the window controls be grouped on the left, and presented the visualisation. So it wasn't that I "prefer it that way". I didn't like it initially, anticipating that it would generate a great deal of resistance. However, it does line things up nicely for work I would like us to do in future. […] And the major argument against it appears solely to be "we're used to it here", which is important, but not overriding.

Quelle: Bugkommentar 179 🇬🇧

Die Designgegner

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Inkonsistente Fensterbefehle

Es ist nur schwer möglich eine vollständige Übersicht über alle Argumente der Gegenseite zu geben. Folgende Stichpunkte stellen deshalb nur eine Auswahl dar. So wird unter anderem kritisiert, dass:

  • die Fenstertitel durch das neue Layout nicht mehr zentriert werden

  • viele Anwendungen innerhalb ihres Fensters weiterhin ihre entsprechenden Elemente rechts orientieren. Als Beispiel werden dabei Firefox, Thunderbird 3, Chromium oder Nautilus genannt, deren Tabs nicht an das neue Layout angepasst sind (siehe nebenstehendes Bild)

  • die neue Anordnung sei nicht kongruent mit den Oberflächen anderer gebräuchlicher Systeme, wie Windows oder anderen Linuxdistributionen, was das Bedienen mehrerer Betriebssysteme erschwert

  • die neue Anordnung potentiell gefährlich sei, da sich so wichtigere Menüeinträge (Datei, Bearbeiten...) in unmittelbarer Nähe der Elemente befinden. Dadurch sei die Gefahr eines „Fehlklicks“ gestiegen

  • die neue Anordnung breche das übrige Desktopdesign. So befindet sich zum derzeitigen Stand das Applet zum Herunterfahren des Rechners weiterhin auf der rechten Seite

  • die neue Anordnung nutze die zur Verfügung stehende Fläche zu ungleichmäßig. Der Text und die Schaltflächen konzentrieren sich links während die rechte Seite ungenutzt bliebe

  • die Anordnung nicht der des GNOME Projekts entspräche, was in Zukunft zu weiteren Inkonsistenzen führen werde. Entsprechend würden auch Anwendungen eher für die klassische Anordnung entworfen

  • es existiere keine einfache Möglichkeit mehr zum bisherigen Design zu wechseln

  • es derzeit keine Aussage gäbe, was nun mit dem neu gewonnen Platz angestellt werden soll, was die Sinnhaftigkeit zusätzlich in Frage stelle.

Das Designteam

Inzwischen hat auch ein Mitglied des Designteams informell zur Entscheidung Stellung genommen. In Ihrem Blog 🇬🇧 skizziert Ivanka Kamajic, wie der prinzipielle Entscheidungsprozess abgelaufen ist. Hierbei wird auch deutlich, dass die Entscheidung hin zum neuen Layout nicht unbedingt einstimmig getroffen wurde, allerdings mehrheitlich aufgrund einer sachlichen Analyse beschlossen wurde.

Eine detaillierte Begründung, die zur neuen Anordnung geführt hat, wird hier allerdings nicht gegeben. Auch Ivanka Majic stellt sich die Frage, ob es für die Anwender wirklich so problematisch ist, ihre Arbeitsgewohnheiten auf die neuen Positionen umzustellen.

Bleibt alles anders?

Auch wenn die neue Fensterzeile offiziell noch testweise implementiert wurde, wird es in den Kommentaren (besonders von Mark Shuttleworth) deutlich, dass die neue Anordnung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der finalen Version von 10.04 LTS Einzug halten wird.

Allerdings gibt es immer noch die Möglichkeit über den Konfigurationseditor das herkömmliche Design wiederherzustellen. Wie das geht wird z.B. von Chrissss in seinem Blog beschrieben.

Angemerkt werden sollte noch, dass dies nicht, wie oft behauptet wird, eine Frage des Designs, sondern eine Frage der Benutzerfreundlichkeit ist. Es wird dabei eine Designentscheidung über die Benutzbarkeit gesetzt.

Insofern wäre es vielleicht angeraten, der Diskussion etwas die Schärfe zu nehmen. Letztendlich zeichnet ein Linuxsystem unter anderem die Möglichkeit aus, quasi alles auf die eigenen Bedürfnisse hin ändern zu können. Die Standardeinstellungen sind bei dieser Betrachtungsweise nicht mehr als – hoffentlich gute – Vorschläge.


Dieser Artikel wurde eingesandt von Greebo. Herzlichen Dank!