Das eigentliche Thema wurde dabei in den Mainstream-Medien wenn überhaupt leider nur stiefmütterlich und nicht sonderlich kritisch behandelt. Eine erfreuliche Ausnahme stellt heise online dar, die zu dem Thema drei ausführliche Artikel (Artikel 1, Artikel 2, Artikel 3) veröffentlichten.
Stoppschild |
Im Kern geht es in dem neuen Gesetz darum, kinderpornografische Webseiten in eine Sperrliste aufzunehmen und den Zugriff auf diese Seiten zu erschweren. Dabei sollte im ersten Entwurf nur ein Stoppschild angezeigt werden, das dem Benutzer anstatt der Webseite angezeigt wird. Zu dem Zeitpunkt hieß es noch, dass man sich als Option die Möglichkeit offenlassen wolle, Nutzer ausfindig zu machen, die „wiederholt einschlägige Seiten aufzurufen versuchen“.
Nur wenige Tage später war davon nichts mehr zu lesen und die federführende Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) - mittlerweile oftmals auch als Zensursula bezeichnet - plante nunmehr eine Echtzeitüberwachung der Stoppschild-Zugriffe. Jeglicher Versuch eine solche Seite aufzurufen soll nun eine Voraussetzung des Straftatbestands darstellen und jeder müsse mit strafrechtlichen Ermittlungen rechnen. Größter Knackpunkt dieser Sperrliste: Niemand weiß welche Seiten darin sind und welche noch reinkommen. Wer also eine unbekannte Seite besucht (als Beispiel sei hier nur der Dienst tinyurl.com genannt), läuft Gefahr auf einer Stoppschild-Seite zu landen. Laut heise wird bereits emsig über eine Ausweitung der Sperrung auf „Musik-Tauschbörsen, Internetlotterien und Gewaltvideos“ diskutiert.
Auf der Webseite des Deutschen Bundestages für Petitionen wurde eine Petition mit dem Titel „Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten” gestartet. Bereits einige Magazine haben darüber berichtet und mittlerweile haben über 23.000 Teilnehmer diese Petition mitgezeichnet. Für das noch recht junge Verfahren der „elektronischen Petitionen“ ist das ein großer Erfolg. Aber dieses System lebt nur vom Mitmachen und bietet jedem Menschen die Chance, sich über falsche politische Entscheidungen zu äußern.
Im vorliegenden Falle heißt es in der Petition:
Wir fordern, daß der Deutsche Bundestag die Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22.4.09 ablehnt. Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die „Sperrlisten“ weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.
Zur Begründung führte man an:
Das vornehmliche Ziel – Kinder zu schützen und sowohl ihren Mißbrauch, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie, zu verhindern stellen wir dabei absolut nicht in Frage – im Gegenteil, es ist in unser aller Interesse. Dass die im Vorhaben vorgesehenen Maßnahmen dafür denkbar ungeeignet sind, wurde an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt. Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluß auf die körperliche und seelische Unversehrtheit mißbrauchter Kinder.
Für die Teilnahme an der Petition muss man sich einmalig registrieren, wie in Foren allgemein üblich. Damit die Petition bei unseren Politikern Gehör findet, sind minimal 50.000 Mitzeichner in den ersten drei Wochen nötig. Der Server des Bundestags ist leider überlastet, und es kann etwas dauern, bis sich die Webseite aufbaut. Wer sich über den aktuellen Verlauf informieren möchte, sollte dies daher auf dieser grafischen Statistik-Seite machen oder bei Twitter.
Wir möchten alle Anwender dazu animieren, bei dieser Petition mitzumachen und selbige im Freundes- und Bekanntenkreis bekannt zu machen.
Update:
Es gibt eine sehr erfreuliche Neuigkeit zu verkünden, die benötigten 50.000 Stimmen wurden weit vor Ablauf der dreiwöchigen Frist erreicht und die Anzahl der Mitzeichner bewegt sich mittlerweile bei über 51.000. Damit sollte das Thema "im Regelfall im Petitionsausschuss öffentlich beraten" werden. Wie man an der Formulierung allerdings sehen kann, ist das Ziel trotz der benötigten Stimmen nicht zwangsweise erreicht bzw. muss nicht zum Erfolg führen, selbst wenn öffentlich darüber im Petitionsausschuss beraten wird.
Umso wichtiger ist es, sich nicht zurückzulehnen und abzuwarten, sondern weiter aufzuklären und auch die Chance bei der nächsten Bundestagswahl am 27. September selbst in die Hand zu nehmen.
Das c't magazin.tv berichtet in seiner morgigen Sendung ebenfalls über das Thema und will dabei alle wichtigen Fakten zusammenstellen, Infos zum Sendetermin, Wiederholungen bzw. Download sind auf der Webseite zu finden.
Update 2:
Die Online-Petition hat mittlerweile die 75.000-Marke überschritten und wenn die Anzahl der Mitzeichner nicht stark abflacht, sollten die 100.000 Stimmen bis zum Ende der dreiwöchigen Zeichnungsfrist ohne Probleme geschafft werden können.
Wie auf heise online allerdings heute zu lesen ist, formieren sich zwei weitere Gruppierungen zu dem geplanten Gesetz. So ruft der Verein "Missbrauchsopfer gegen Internetsperren" zu einer bundesweiten Protestaktion unter dem Motto "Grundgesetz lesen" auf, da nach Ansicht des Vereins die Internet-Sperren leicht zu umgehen sind, durch das Gesetz nur die Grundrechte der Bürger eingeschränkt werden und dies keinem der Opfern hilft.
Genau auf der anderen Seite positioniert sich die Deutsche Kinderhilfe mit einer bundesweiten Unterschriftenaktion, die das geplante Gesetz zur Sperrung von Internetseiten unterstützen will. Man möchte mit dieser Unterschriftenaktion, startend am kommenden Mittwoch in Bielefeld vor dem Fußball-Bundesligaspiel, bis Ende Mai 100.000 Unterschriften sammeln. Offiziell heißt es von der Deutschen Kinderhilfe dazu: "Die 70.000 Unterstützer der Online-Petition repräsentieren nicht die Meinung der deutschen Bevölkerung, die meisten Deutschen wollen Kinderpornos gesperrt wissen".
Anfang 2008 erregte die Deutsche Kinderhilfe in der Presse ein großes Aufsehen, als man der Hilfsorganisation zu hohe Personalkosten, fehlende Bilanzprüfungen und Unklarheiten im Umgang mit Spendengeldern vorwarf. Als Folge dessen hat der Deutsche Spendenrat die Deutsche Kinderhilfe aus seinen Reihen ausgeschlossen.
Weiterführende Links:
Bundeskabinett beschließt Gesetzesentwurf zu Kinderporno-Sperren
Kinderporno-Sperren: Regierung erwägt Echtzeitüberwachung der Stoppschild-Zugriffe
Seiten im Planeten:
Link zur Online-Petition
Quelle des Bildes: Wikimedia