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Mark Shuttleworth über „Government use of Ubuntu“

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Mark Shuttleworth macht sich in seinem neuesten Blogbeitrag Gedanken über den Einsatz von Ubuntu in staatlichen Einrichtungen und ruft zur Diskussion über das Thema auf.

Nach seinen Ankündigungen zu Ubuntu TV und Ubuntu for Android nähern sich Mark Shuttleworths neue strategische Überlegungen 🇬🇧 wieder etwas mehr der Kerndomäne Ubuntus, seinem Einsatz auf traditionellen Computern. Sie sind deswegen allerdings nicht weniger interessant, behandeln sie doch ein Thema, das enormes Potential für freie Software bietet: deren Einsatz in staatlichen Einrichtungen.

Vorteil Flexibilität und Anpassung an lokale Besonderheiten

Shuttleworth sieht dabei wachsendes Vertrauen staatlicher Stellen in Open-Source-Software (OSS) – und auch wachsendes Geschick bei deren Nutzung. Allerdings dürfe die Verwendung von Open-Source nicht bedeuten, schlicht proprietäre Anwendungen durch freie zu ersetzen. Vielmehr kommt es ihm auch darauf an, gezielt die Stärken freier Software auszuspielen, insbesondere ihre Flexibilität.

Shuttleworth will zur noch stärkeren Verankerung von Ubuntu und freier Software daher darauf hinwirken, dass die Verwaltungen an der Konzeption, Produktion und Zertifizierung von Computern mit vorinstallierter OSS-Software teilhaben. Die so entstehenden Computer sollen zwar weiter voll in die Ubuntu-Welt integriert, also bspw. auf die allgemeinen Paketquellen zugreifen können. Allerdings sollen sie als Bonus an die lokalen Gegebenheiten angepasst sein – z.B. durch spezielle Softwarezusammenstellungen, Konfigurationen oder Zertifikate.

Zukunftsthemen

Mark Shuttleworth hat sich bereits Gedanken zum Thema „Zukunft von Ubuntu in staatlichen Einrichtungen“ gemacht. Allerdings befinden sich diese teils in einem frühen Stadium, teils sind sie bewusst offen formuliert. Wichtig ist es ihm daher, seine bisherigen Gedanken zur Diskussion zu stellen und neue Anregungen zu erhalten. Für zukunftsträchtig hält er selbst ihm Augenblick unter anderem die Beschäftigung mit folgenden Ideen: Zertifizierte nationale und lokale Ubuntu-Versionen, erleichterte Anpassung an politische und kulturelle Rahmenbedingungen sowie die Möglichkeit, offene Standards und Anwendungen schneller und leichter zu verbreiten.

Zertifizierte nationale und lokale Ubuntu-Versionen

Lokale und nationale Ubuntu-Versionen, die von weltweit vertretenen Markenherstellern zertifiziert und vorinstalliert werden, gibt es teils schon, bspw. in Kanada, Brasilien, Argentinien, China, Indien, Spanien und Deutschland. Dort haben Hersteller teils auch Ausschreibungen gewonnen, in denen sie mit Ubuntu- gegen Windows-PCs gewonnen haben. Die Zusammenarbeit mit Dell und Lenovo ermöglicht es schon heute – nachdem „viel Arbeit“ bei der Prozessoptimierung geleistet wurde –, auf einen Schlag zehntausende Ubuntu-PCs oder -Laptops so zu bestellen, dass diese auch pünktlich und zertifiziert geliefert werden.

Ubuntu und freie Software allgemein seien allerdings nicht Windows: die Massenfertigung und -zertifizierung birgt für Shuttleworth die Gefahr, dass einer der großen Vorteile freier Software, deren Flexibilität und individuelle Anpassbarkeit, verloren gehe. Für ihn ist es daher wichtig, das „Beste beider Welten“ zu erhalten: Zum einen zertifizierte Computer mit vorinstalliertem Ubuntu von Markenherstellern, die aber zum anderen problemlos an lokale und thematische Bedürfnisse anpassbar sind. Die Anpassungsmöglichkeiten sollen sehr weitgehend sein, wobei dann allerdings das Upgrade-Problem auftaucht: Wichtig ist es Shuttleworth, dass alle Anpassungen Ubuntu-Upgrades problemlos überstehen.

Erleichterte Anpassung an politische Rahmenstrukturen

Die Zusammenarbeit mit staatlichen Einrichtungen berührt sehr häufig auch Sicherheits- und sogar sicherheitspolitische Aspekte. Häufig gibt es daher strenge Rahmenbedingungen für die Umsetzung von IT-Konzepten – so werden beispielsweise durch lokale Ämter und Agenturen Sicherheitszertifikate ausgegeben oder besondere Anforderungen an Programme gestellt, denen auch Open-Source-Software gerecht werden muss, wenn sie auf stärkere Verbreitung hofft. Als Beispiel nennt Shuttleworth eine europäische Armee, die Ubuntu einsetzt, um Soldaten und Büroarbeitern Remote-Desktop-Zugriffe zu ermöglichen. Das Problem im konkreten Fall war, dass die betreffende Regierung für alle staatlichen Einrichtungen speziell zertifizierte Versionen von Anwendungen wie OpenVPN vorschrieb.

Shuttleworths Hauptüberlegung in diesem Zusammenhang ist die Frage, wie es ermöglicht werden kann, die Verwaltung derartiger externer Anforderungen – die auch in Unternehmen vorkommen – so zu automatisieren, dass sie selbst dann, wenn es keine zentral verwaltete IT-Infrastruktur gibt, erfüllt werden.

Eingehen auf lokale kulturelle Besonderheiten

Shuttleworths Ziel bezüglich der lokalen kulturellen Besonderheiten ist es, Ubuntu so an lokale Anforderungen und Gebräuche anzupassen, dass das Anwendererlebnis weit über das hinausgeht, was Windows durch entsprechende Anpassungen bieten kann. Interessiert ist er hierbei insbesondere an der Frage, wie derartige Anpassungen aussehen könnten und wie das Verhältnis der LoCo-Communities zu Canonical beschaffen sein sollte, um hierbei optimale Ergebnisse zu erzielen?

Verbreitung offener Standards und Anwendungen

Regierungen fordern zunehmend, dass mit Steuergeldern nur freie Standards und Programme finanziert bzw. entwickelt werden. Hier stellt sich Shuttleworth die Frage, wie es möglich sei, lokale oder thematische Entwicklungen an Ubuntu (und sonstiger freier Software) so zu verbreiten, dass sie auch anderen Interessierten möglichst bald zur Verfügung stehen. Ebenfalls interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Frage, wie es um Inhalte bestellt ist, die mit Steuergeldern erstellt wurden: Gibt es hier auch die Möglichkeit, deren Verbreitung durch Software zu erleichtern?

Aufruf zur Diskussion

Ein Punkt, der Canonicals Selbstbewusstsein illustriert und auch deutlich macht, wie Shuttleworth dessen zukünftige Rolle sieht, ist der Wunsch, von einem Denken, dass sich mit dem Satz „Schlicht das ersetzen, was davor war“ illustrieren lässt, wegzukommen. Stattdessen will er selbst aktiv neue Impulse setzen – und sieht Canonical mittlerweile dazu, d.h. „to drive change“, auch in der Lage.

Um allerdings zu erfahren, welche Möglichkeiten des „Change“ es überhaupt gibt, ruft Shuttleworth die Vordenker in den Verwaltungen dazu auf, mit ihm in eine Diskussion zu treten, wie die Flexibilität der freien Software dazu dienen könne, Mehrwert zu schaffen. Dazu sollen ihm E-Mails mit Anregungen und Gedanken zum Thema an folgende Adresse geschickt werden: governator@canonical.com. (Dieser E-Mail-Adresse habe er – aus offensichtlichen Gründen – nicht widerstehen können.) Ansprechen will er mit seinem Dialogangebot insbesondere Staatsbedienstete sowie sonstige Personen, die sich für den effizienten Open-Source-Einsatz in der öffentlichen Verwaltung interessieren – und dabei einen breiteren Fokus haben, als schlicht Computer mit dem größtmöglichen Mengenrabatt zu bestellen.

Quelle: Mark Shuttleworth, Government use of Ubuntu 🇬🇧 (8. März 2012)