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Interview mit der Document Foundation

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Vor wenigen Tagen konnte die Document Foundation, die sich um die Entwicklung von LibreOffice kümmert, einen großen Erfolg bekanntgeben. Mit 50.000 Euro Spendengeldern, die in nur acht Tagen eingereicht wurden, steht einer Gründung der Stiftung in Deutschland nichts mehr im Wege. Dies sollte Grund genug für uns sein, dass wir mit Florian Effenberger ein Interview über die Document Foundation gehalten haben.

Zehn Jahre Zusammenarbeit mit Sun Microsystems und später Oracle waren vergangen, als man im letzten Jahre ankündigte, die Entwicklung von OpenOffice.org in einer Stiftung voranzutreiben. TDF sollte sie heißen, „The Document Foundation“. Viele Firmen kündigten an, sich an der TDF zu beteiligen: Google, Red Hat, Novell und zuletzt auch Canonical, die Firma hinter Ubuntu. Oracle jedoch, welches die Namensrechte an OpenOffice.org behält, lehnte eine Zusammenarbeit ab. So waren am Anfang dieses Jahres fast zeitgleich zwei freie Office-Pakete erschienen: LibreOffice und OpenOffice.org, beide in Version 3.3. Kurz danach startete die TDF einen Spendenaufruf, um die Stiftung als rechtliche Person in Deutschland zu gründen. Der dafür erforderliche Kapitalstock von 50.000 Euro konnte sehr schnell mittels Spendengeldern finanziert werden. Wie es nun weitergeht, berichtete Florian Effenberger in einem Interview mit uns.

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Florian Effenberger

Stell dich bitte erstmal unseren Lesern vor, Florian!

Mein Name ist Florian Effenberger, ich bin 27 Jahre alt und ehrenamtlich im Steering Committee der Document Foundation sowie im Vorstand des OpenOffice.org Deutschland e.V. aktiv. Im „richtigen“ Leben bin ich Student und arbeite nebenbei als freier Journalist. Bevor ich zur Document Foundation gekommen bin, war ich fast sieben Jahre im OpenOffice.org-Projekt aktiv, zuletzt als Lead der Marketing- und Distribution-Projekte. Der eine oder andere kennt mich vermutlich auch vom Münchener Open-Source-Treffen und dem Open-Source-Kochen, zwei Veranstaltungen, die ich mit guten Freunden initiiert habe.

Warum wurde die Document Foundation gegründet?

Schon vor über zehn Jahren, bei der Gründung des OpenOffice.org-Projekts, wurde die Einrichtung einer Stiftung angekündigt, jedoch nie realisiert. Kurz vor dem Projektjubiläum hatten viele Aktive dieselbe Idee – die logische Weiterentwicklung der Community voranzutreiben und den nächsten großen Schritt zu gehen.

Warum wurde dieser Schritt damals nicht verwirklicht?

Schon der ersten Ankündigung des OpenOffice.org-Projekts sollte relativ bald eine unabhängige Stiftung folgen. Anfangs war man mit Sicherheit genug damit beschäftigt, dem Projekt Strukturen zu geben und die Software zu veröffentlichen. In den letzten Jahren wurde der Ruf nach einer Stiftung immer lauter, doch es ist nicht viel passiert, bis zahlreiche Aktive sich zur Document Foundation zusammengeschlossen haben. Ich weiß nicht, warum in den ersten zehn Jahren des Projekts nichts in der Richtung passiert ist, freue mich aber, dass wir das Versprechen jetzt einlösen konnten.

Für welche Aufgaben ist sie zuständig?

Unter dem Dach der Document Foundation wollen wir verschiedene Projekte und Produkte betreuen. Derzeit wird LibreOffice entwickelt, eine freie Office-Suite für alle großen Plattformen. Das Schöne ist, dass die TDF einen Rahmen für all diejenigen bieten kann, die sich mit einem bestimmten Thema rund um freies Office und offene Dokumentformate beschäftigen.

Gab es Schwierigkeiten bei der Gründung?

Die Document Foundation ist derzeit noch keine rechtlich eigenständige Stiftung. Momentan stemmt unter anderem der gemeinnützige Verein OpenOffice.org Deutschland e.V. das Projekt, indem er Spenden einnimmt, die Infrastruktur finanziert und Marken verwaltet. Nach einer sehr erfolgreichen Spendenaktion steht nun fest, dass die Stiftung in Deutschland gegründet wird. Aktuell sind wir dabei, die Statuten zu finalisieren und das geeignetste Bundesland für die Gründung zu finden. Danach wird die Stiftung als eigenständige juristische Person ins Leben gerufen.

Bisher haben wir ca. 65.000 Euro an Spendengeldern sammeln können, was einfach nur phänomenal ist. Davon werden 50.000 Euro als Kapitalstock dienen, alle weiteren Gelder fließen direkt in künftige Budgets der Stiftung, unter anderem für Infrastruktur, Marketing, Reisekosten und weitere notwendige Ausgaben.

Wie wurde von anderen Firmen auf die Gründung reagiert?

Die Gründung der Document Foundation wurde von vielen Firmen, aber auch von der öffentlichen Hand sehr begrüßt, und viele schreiben uns, dass sie schon lange auf einen solchen Schritt gewartet haben. Wir hoffen natürlich, dass wir in der Zukunft auch auf finanzielle oder personelle Unterstützung zählen können, denn viele Arbeiten werden derzeit ehrenamtlich erbracht und vor allem durch die Spenden von Privatleuten getragen.

Wie ist euer Verhältnis zu Oracle bzw. zu OpenOffice.org?

Wir haben Oracle ganz bewusst eingeladen, sich der Stiftung anzuschließen, doch schon kurz danach kam leider die Absage: Oracle habe daran kein Interesse und wird das Projekt OpenOffice.org wie gewohnt weiterführen. Somit gibt es nun zwei Communities und zwei Produkte. Ich finde es natürlich sehr schade, dass es letztendlich doch noch zu einer Trennung gekommen ist – die positiven Rückmeldungen so vieler Menschen und die sichtlich gestiegene Aktivität bestätigen uns jedoch darin, das Richtige zu tun.

Wie seid ihr generell strukturiert? Gibt es da Unterschiede gegenüber der Leitung bei OpenOffice.org?

Der wichtigste Unterschied ist mit Sicherheit, dass die Document Foundation und somit auch das LibreOffice-Projekt nicht von einem einzelnen Hauptsponsor abhängig ist. Alle relevanten Prozesse, Markenrechte und das, was die Stiftung und das Projekt ausmachen, sind offen, transparent und folgen dem meritokratischen Prinzip. Das gibt die Gewissheit, dass das Projekt nicht von wirtschaftlichen Faktoren abhängig ist, und spiegelt die Ideale und Werte wider, unter denen wir seit so viele Jahren arbeiten.

Welche Firmen wirken wie und mit welchem Einfluss in welchen Bereichen der Document Foundation mit?

Die sicherlich größte Unterstützung derzeit erhalten wir durch Novell, Red Hat und Canonical, die zahlreiche Vollzeit-Entwickler ins Projekt mit einbringen. Auch viele andere Firmen haben uns bereits durch Spenden oder andere Ressourcen unterstützt.

Wir laden jeden, dem das Thema freie Office-Suite am Herzen liegt, ein, uns zu unterstützen. Die letzten Monate wurde so unglaublich viel ehrenamtliche Arbeit geleistet, so viele Menschen haben ihre Kreativität, ihren Enthusiasmus und ihr Können in den Dienst des Projekts gestellt, ihre Freizeit und ihre Wochenenden geopfert – doch für manche Dinge bedarf es leider auch finanzieller Unterstützung. So sind wir auf vielen Messen präsent und haben laufende monatliche Kosten, die gedeckt werden müssen. Je mehr Unternehmen die Stiftung durch Personal, durch Ressourcen oder durch große Spenden unterstützen, umso mehr können wir bewegen.

Ihr habt euch dazu entschieden, die Stiftung Document Foundation in Deutschland zu gründen. Warum soll sie gerade eine Stiftung nach deutschem Recht werden?

Eine Menge Leute haben gefragt, ob die Document Foundation unbedingt in Deutschland gegründet werden muss, da hier ein so hohes Stiftungskapital erforderlich ist. Im Gegensatz dazu bieten Länder wie Großbritannien oder die Vereinigten Staaten ähnliche rechtliche Konstrukte für eine Stiftung ohne die Forderung eines so hohen Grundkapitals. Das Steering Committee hat nach eingehender Untersuchung in einer öffentlichen Telefonkonferenz entschieden, dass der Standort der künftigen Stiftung idealerweise Deutschland sein sollte.

Deutschland ist aus verschiedenen Gründen die beste Wahl für die zukünftige Stiftung: Nicht nur, dass deutsche Stiftungen für Sicherheit, Stabilität und Vertrauenswürdigkeit stehen, in Deutschland gibt es auch eine große Verbreitung von freier und Open-Source-Software. Die Wurzeln des Produktes liegen Mitte der 1980er Jahre in Deutschland. Darüber hinaus bietet Deutschland Vorteile in Bezug auf Steuern, steuerlicher Abzugsfähigkeit für Spender, als auch hinsichtlich der Tätigkeit der Stiftung, die von Deutschland aus nicht auf ein bestimmtes Land beschränkt ist.

Am wichtigsten ist, dass viele aktive Mitglieder der Community, die bereit sind die Stiftung voranzubringen, aus Deutschland stammen. Selbst wenn andere Länder geringere Mittel für die Gründung der Stiftung erfordern würden – wenn Menschen, die die Stiftung voranbringen, nicht vor Ort sind, entstünden höhere Kosten für Vertreter und Anwälte. Schlussendlich wäre aber auch in anderen Ländern eine solide finanzielle Basis für die Stiftung erforderlich.

Was versprecht ihr euch für die weitere Entwicklung von LibreOffice von der Stiftung?

Wir sehen bereits jetzt mit über 100 neuen Aktiven, die seit Ende September zu uns gestoßen sind und zum Programmcode, zu Übersetzungen, Dokumentationen, dem Marketing und anderen Bereichen beitragen, eine starke Aktivität. Das hat uns ermöglicht, schon zur Version 3.3 einige weitere Funktionen einzubauen und einige lästige Bugs zu beheben. Wenn dieser Enthusiasmus und diese Motivation, sowie dieses unglaubliche Engagement bestehen bleiben, dann sehe ich die Zukunft sehr positiv.

Wird es jemals geschehen, dass LibreOffice beispielsweise beim Quelltext vollkommen unabhängig von OpenOffice.org sein wird?

Wie schnell sich die Programme auseinanderentwickeln, lässt sich derzeit schwer sagen. All unsere Beiträge stehen unter einer freien Lizenz, können daher auch in OpenOffice.org Eingang finden – genauso wie das mit den Beiträgen ist, die zuerst in OpenOffice.org enthalten sind, auch wir können diese einsetzen. Allerdings verlangt Oracle ein so genanntes Copyright Assignment, und viele Entwickler stehen dem sehr skeptisch gegenüber, was dazu führen kann, dass neuer LibreOffice-Code dann letzten Endes doch keinen Eingang in OpenOffice.org finden wird. Doch das ist derzeit alles nur Spekulation.

Ab wann wird LibreOffice nicht mehr auf Quellcode bzw neuen Funktionen von OpenOffice.org zurückgreifen müssen und zu 100 Prozent eine Eigenentwicklung sein? Ist das so überhaupt geplant oder möglich?

Auch das lässt sich derzeit sehr schwer vorhersagen. Wir sehen massive Aktivität bei uns im Projekt, und auch unser Release-Zyklus geht von schnelleren und häufigeren Veröffentlichungen aus, was dafür spricht, dass viel neuer oder geänderter Code in LibreOffice Eingang findet. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht sicher abzusehen, wie schnell sich der Quelltext weiterentwickelt.

Vielen Dank für das Interview, Florian